Die Dampfauskopplung im Werk der Firma RÜTGERS ist schon aufgrund ihrer Energiequelle außergewöhnlich. Mit einem hohen Anteil wird Abdampf aus der Phenoldestillation des Chemieunternehmens in Fernwärme umgewandelt. Bislang musste er prozessbedingt gekühlt und die Wärmeenergie ungenutzt in die Atmosphäre abgegeben werden. E.ON ersetzt mit dieser Anlage die Wärmeauskopplung eines Steinkohle-Kraftwerkes.
Die technischen Merkmale der Anlage sind vergleichbar mit anderen „gleitenden Netzen“. Solche Fernwärmenetze arbeiten in einem veränderlichen Temperaturbereich von 90 bis 125 °C. Wie immer, wenn das primäre Temperaturniveau höher ist, kommt auch in Castrop-Rauxel Wärmetauschern die Aufgabe zu, aus Dampftemperaturen von 115 °C bzw. 139 °C den entsprechenden Fernwärmevorlauf durch Erwärmen von Wasser zu erzeugen. Der vergleichsweise sanfte Dampf (0,8 und 2,5 bar*) ist zwar immer noch ein anspruchsvolles Medium, und die gefürchteten Dampfschläge müssen auch auf diesem Temperaturniveau konstruktiv vermieden werden.
Herausforderungen
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Die RÜTGERS InfraTec GmbH stellt prozessbedingt zwei Arten von Dampf zur Verfügung. Der mitunter Sattdampf genannte Niederdruckdampf (ND mit 139 °C und 2,5 bar) steht zunächst dem eigenen Herstellungsprozess zur Verfügung. Produktionsbedingt entsteht im laufenden Betrieb der niedriger temperierte und quasi drucklose Abdampf (115 °C und 0,8 bar). Nach Angaben der RÜTGERS InfraTec GmbH läuft die Phenoldestillation etwa 310 Tage pro Jahr rund um die Uhr. Auch wenn das sehr viel ist: sowohl für die fehlenden Tage im Jahr als auch für Spitzenlasten muss es möglich sein, die Dampferzeugung direkt einzubinden. Das geschieht auf der Niederdruckdampf-Strecke. Regelungstechnisch werden also zwei verschiedene Temperaturniveaus je nach Betriebszustand des Chemiewerkes zugeschaltet. RÜTGERS gibt ein Verhältnis von etwa 2,5 zu 1 zwischen Niederdruck- und Abdampf an.
Aus Gründen der Versorgungssicherheit ist die Anlage einhundertprozentig redundant ausgelegt. 2 x 15 MW bedeutet also, dass zwei nahezu identische Wärmeübertrager abwechselnd arbeiten können. Im Havariefall oder bei Wartungsarbeiten geht der jeweils andere ans Netz. Beide Wärmeübertrager können beide Dampfarten verarbeiten. Basisgeregelt wird Anlage über die sogenannte „Kondensat-Anstauregelung“, deren Herzstück ein nachgeschalteter Kondensat-Sammelbehälter mit fast 15.000 Litern (14,2 m3) ist. Allein in diesem Teil der Anlage arbeiten sechs Pumpen und zwei Dutzend Regler-/Stellventile rund um die Uhr. Dank der besonderen Erfahrung von PEWO-Ingenieuren auf diesem Gebiet konnte die Kondensatregelung gegenüber der ursprünglichen Planung optimiert und so effizienter gestaltet werden.
Vorteile der Lösung
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Die Einspeisung von Heißwasser (Vorlauf) in das Fernwärmenetz besorgt eine Pumpengruppe mit 3 x 45 kW, jede davon ausreichend um eine Wassersäule von 40 Metern zu erzeugen und rund 250 m3 Wasser pro Stunde durchs Netz zu schieben. Wetter- und verbrauchsabhängig unterliegt das Netz großen Schwankungen. Zum Vergleich: Während im Winter die volle Leistung von 15 MW gebraucht wird, reichen zur Trinkwarmwasserbereitung im Sommerbetrieb ca. 4 MW. Die ständigen Volumenänderungen machen eine Druckhaltung erforderlich, die über Ausgleichsbehälter realisiert wird. Hier kamen vier membranlose Stickstoff-Ausgleichsbehälter von je 10.000 Litern zum Einsatz. Die markanten Gefäße sind über Grund- und Folgegefäße zusammen geschaltet. Der Stickstoff dient als Luftsperrschicht gegen ungewollten Sauerstoffeintrag in das aufbereitete Heizwasser. Er kommt über eine Leitung praktischerweise ebenfalls aus dem Chemiewerk.
Das sagt die E.ON Fernwärme GmbH: „Durch die Nutzung des Dampfnetzes wird in erheblichem Maße Primärenergie eingespart. Mit der Nutzung von industriellem Dampf beschreitet die E.ON Fernwärme GmbH neue Wege zur Wärmelieferung an ihre Kunden und leistet einen großen Beitrag zur Reduzierung der CO2-Emmissionen“ |
Das Projekt ist beispielgebend für die Wärmeversorgung ganzer Städte. An beinahe jedem Industriestandort gibt es Prozesse, bei denen Wärme ungenutzt in die Atmosphäre entweicht. Das kann ein Chemieunternehmen sein, eine thermische Restmüllverwertung oder ein Stahlwerk.
Projektdaten
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Fachbeiträge
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Teil 2 dieser Fallstudie schildert, auf welchem ungewöhnlichen Weg Kollisionspunkte gemanaged werden.
Für weitere Informationen stehen Ihnen unsere Mitarbeiter gern zur Verfügung.
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