Nahwärme in Denkmalschutz-Bausubstanz? Es geht!

IDEAL-Siedlung Berlin-Britz

#Abwärme#Sanierung

Auch wo nichts an denkmalgeschützter Bausubstanz geändert werden darf, ist energieeffiziente Gebäudewärme auf Basis von Nahwärme möglich. Das zeigt das Projekt einer Wohnsiedlung aus den 1920er Jahren. Sogar mit den historischen Heizkörpern in den Wohnungen lässt sich dabei leben. Das Ergebnis wurde mit dem TGA Award ausgezeichnet.


Key Facts

Name und Ort

IDEAL-Siedlung Britz, Franz-Körner-Straße / Pintschallee, Berlin-Neukölln, Ortsteil Britz

Charakteristika
  • Energetische Teilsanierung von elf Gebäuden der historischen Wohnanlage mit insgesamt 784 WE
  • Bestand: quartierseigenes Nahwärmenetz mit Heizzentrale und elf Unterzentralen
  • Heizzentrale: Austausch der Ölheizkessel gegen Gas-Brennwertkessel mit Brennwerttuning®-Technologie
  • Unterzentralen: neue Übergabestationen, Verteiler und Trinkwassererwärmer
     
Herausforderungen

Energieeffizienz trotz Denkmalschutz

Beteiligte Unternehmen
  • Baugenossenschaft IDEAL eG, Berlin (Bauherr, Auftraggeber)
  • Ingenieurbüro Lang, Berlin (Planung Gebäudewärme)
  • Aluta Wärmetechnik, Berlin (Installation)
Lieferumfang PEWO
  • 4 Heizungsverteiler Split H
  • 1 Netzpumpenmodule NP
  • 11 Übergabestationen CAD H
  • 11 Trinkwassererwärmer Aqua C
  • Leittechnik PEWO Live
Ausführungszeitraum

2012

Die IDEAL-Siedlung in Berlin-Britz befindet sich in Nachbarschaft zur so genannten Hufeisensiedlung. Diese entstand von 1925 bis 1932 nach Plänen des Architekten Bruno Taut und gilt weltweit als Ikone des "Neuen Bauens". Auch nebenan in der IDEALSiedlung gibt es ein Ensemble von Taut-Häusern; sie stehen ebenfalls unter strengem Denkmalschutz. Eine Fassadendämmung und der Austausch der historischen Einrohr-Heizungen in den Wohnungen sind nicht erlaubt. Erst recht undenkbar: die energetische Totalsanierung zur Einführung einer regenerativen Gebäudewärmelösung.

In puncto Energieeffizienz war das ein Desaster. Weil die Anforderungen an den Wohnkomfort knapp ein Jahrhundert nach dem Bau der Gebäude deutlich höher sind, häuften sich die Beschwerden von Mietern über kalte Wohnungen und dennoch hohe Heizkosten. Das Problem war lange Zeit nicht zu bewältigen. Dann aber wurde eine kühne wärmetechnische Lösung geschaffen. Sie setzt auf Erdgas, senkt jedoch mit einem innovativen Energieeffizienz-Ansatz den Primärenergieverbrauch drastisch.

Zumindest verfügte das Wohnquartier schon über eine brauchbare Gebäudewärme- Infrastruktur: ein Nahwärmenetz, das sich aus einer Heizzentrale speist und die Wärme über elf Unterzentralen verteilt. Unhaltbar war allerdings die Wärmequelle: Heizöl. Die beiden alten Kessel verbrauchten jährlich astronomische 1,1 Mio Liter Öl! Mit ca. 90 °C waren auch die Vorlauftemperaturen des Netzes im Sinne der Energieeffizienz viel zu hoch.

 

  • Zunächst einmal wurden die Ölkessel durch zwei moderne Erdgaskessel mit Brennwerttechnik und Pufferspeicher ersetzt. Sie bewältigen die Grundlast.
  • Ein zusätzlicher Niedertemperatur-Kessel federt Spitzenlasten ab und sichert den Notfallbetrieb. Die Vorlauftemperatur des Netzes sank damit auf effiziente 60 °C.

 

Ergänzt wurden die Brennwerttechnik in diesem Fall aber um ein Zusatzmodul: das so genannte Brennwerttuning®. Es handelt sich um eine vom Ingenieurbüro Lang entwickelte Methode der verbesserten Rücklaufauskühlung. Sie führt auch die letzte, bislang unzugängliche Abgas-Restwärme einer Nutzung zu, hilft damit, den Primärenergieverbrauch zu senken und leistet zugleich einen entscheidenden Beitrag zur energieeffizienten Rücklaufauskühlung. In Britz kam das Brennwerttuning erstmals zum Einsatz.

Die klassische Brennwerttechnologie besteht bekanntlich in der Nutzung des ca. 150 °C heißen Abdampfes durch Auskondensieren des darin enthaltenen Wassers und Übertragung von dessen Wärme auf den Heizungsvorlauf mittels eines Wärmeübertragers. So geht nur noch ca. 40 °C warmer Abdampf durch den Schornstein.

Brennwerttuning lässt auch dieses Abgas nicht einfach entweichen. In einer nachgeschalteten zweiten Stufe wird es durch eine Kaskade aus sechs Gas- Absorptionswärmepumpen, integriert in ein verbindendes Modul von PEWO, weiter ausgekühlt. Anders als klassische Kompressionswärmepumpen nutzen Gas-Absorptionswärmepumpen nicht Strom, sondern die Wärme von Erdgasbrennern als Energiequelle. Das war in diesem Fall energieeffizienter, denn Gas lag ja bereits an. Die Wärmepumpen entziehen dem Abgas jene Restwärme, die der klassischen Brennwerttechnologie nicht zugänglich ist und übertragen sie, unter Anhebung der Temperatur wirkungsvoll auf einen zweiten Stoffstrom. In dem Fall ist dies wiederum der Heizungsvorlauf. Damit geht das Abgas nur noch handwarm in den Schornstein. Das Brennwerttuning steigert den Wirkungsgrad der Brennwert-Gaskessel in diesem Fall noch einmal um 4,5 Prozent.

In den Unterzentralen wurden neue Übergabestationen, sowie individuell ausgelegte Durchfluss-Trinkwassererwärmer mit Vor- und Nachwärmern installiert, welche die energieintensiven und hygienisch bedenklichen Speicherladesysteme ersetzten.

Das erneuerte Nahwärmenetz erlaubte nun erstmals den energieeffizienten Betrieb der historischen Heizungen. Allerdings mussten hierzu noch ein paar Kunstgriffe angewandt werden:

 

  • Die Wärmeversorgung nach dem historischen "Perlschnurprinzip" wurde durch Mischkreise ersetzt, an die jeweils mehrere Gebäude angeschlossen sind.
  • Eine moderne Regelungslösung mit dynamischem hydraulischem Abgleich sorgt für zusätzliche Energieeffizienz. Eine online-basierte Leittechnik PEWO Live erlaubt die permanente Fernüberwachung der Heizzentrale sowie der Unterzentralen.

 

Die Wohnungen sind nun komfortabel warm; die Beschwerden der Mieter haben aufgehört. Die Heizkosten sanken bereits in den ersten drei Betriebsquartalen der
neuen Anlage um 44 Prozent, der CO2-Ausstoß um 667 Tonnen. Noch einmal: Das alles funktioniert ohne Gebäudedämmung und unter Nutzung eines historischen
Heizsystems! Dem Architekten Bruno Taut würde die intelligente Gebäudewärmelösung wohl gefallen haben. Auch heutige Fachleute waren von ihr angetan: Sie gewann den Deutschen TGA-Award 2014.

Die Wohnhäuser in Berlin Britz wurden von Bauhaus-Architekt Bruno Taut geplant. Die Baugenossenschaft IDEAL erreicht die Ziele der energetischen Sanierung Dank PEWO-Technik ohne Wärmedämmung an der Fassade.

Separater Schaltschrank mit DAC Bedieneinheit

Die Arbeit der Heizzentrale, sichtbar gemacht mittels PEWO Live

Verwendete Produkte

Unter anderem die nachfolgend aufgeführten Produkte kamen bei dem Projekt zur
Anwendung:
PEWO Live
PEWO Live-icon

PEWO Live

Software zur Visualisierung von Wärmenetzen

Aqua C
Aqua C-icon

Aqua C

bis 3 MWPN 25max. 140 °C

Individuell ausgelegte Trinkwassererwärmer für höchste Leistungsanforderungen

NP Netzpumpenmodule
NP Netzpumpenmodule-icon

NP Netzpumpenmodule

bis 230 kW (20 K Spreizung) bei 9 m Restförderhöhebis DN 50PN 10ungemischt/gemischtbis max. 100 °C

Serielle Netzpumpenmodule

Split C
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Split C

bis 30.000 kWbis DN 200PN 10frei konfigurierbar

Verteiler der Kategorie Split C sind leistungsstarke, modular konfigurierbare Anlagen zur Kälteverteilung

CAD H
CAD H-icon

CAD H

bis 40 MW

Individuell konfigurierbare Fernwärmestation bis 40 MW